Pressemitteilung
Europarat und nordische Kinderbeauftragte gegen "Beschneidung" von Jungen
Deutschland doch keine "Komikernation"
Berlin, 7. Oktober 2013. Zu der im Europarat beschlossenen Erklärung zum Schutz des Kindes vor
Verstößen gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie der in Oslo von den Kinderbeauftragten
der nordischen Länder verabschiedeten Resolution zum Schutz von Jungen vor nicht-therapeutischer
"Beschneidung" erklären Irmingard Schewe-Gerigk, Vorstandsvorsitzende TERRE DES FEMMES, und Victor
Schiering, Koordinator des Facharbeitskreises Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V.:
TERRE DES FEMMES und MOGiS begrüßen den Beschluss des Europarates, wonach die "Beschneidung" von
Jungen zusammen mit der genitalen Verstümmelung von Mädchen als Grund "besonderer Besorgnis"
bezeichnet wird.
Die Parlamentarische Versammlung fordert die 47 Europaratsländer auf, eine öffentliche
Debatte unter den Religionsgemeinschaften über das Thema anzustoßen und ein Bewusstsein für Risiken
solcher Praktiken zu fördern. Dabei sei das Recht auf körperliche Unversehrtheit von Kindern in den
Mittelpunkt zu stellen. Es sei inzwischen klar wissenschaftlich widerlegt, dass z.B. Maßnahmen wie
weibliche Genitalverstümmelung, Zirkumzisionen kleiner Jungen aus religiösen Gründen, medizinische
Interventionen an intersexuellen Kindern in frühem Alter als vorteilhaft für die Kinder bezeichnet werden
könnten.
Zuvor hatten die nordischen Kinderbeauftragten in Oslo eine Resolution verabschiedet, die die
Regierungen ihrer Länder dazu auffordert, Beschneidungen an Jungen nur noch unter Voraussetzung
entsprechender geistiger Reife und eigenem Einverständnis des Betroffenen zu tolerieren. Sie sehen die
"Beschneidung" von minderjährigen Jungen im Konflikt mit der UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 12, der
Berücksichtigung des Kindeswillens, und Artikel 24, Absatz 3. Dieser besage, dass Kinder vor überlieferten
Bräuchen zu schützen sind, die ihre Gesundheit beeinträchtigen können. "Mit diesen Beschlüssen werden
endlich die Rechte des Kindes auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung unabhängig von Geschlecht,
Herkunft und Religion gestärkt.“
„Dem im Dezember 2012 in einer Eilaktion beschlossenen deutschen Gesetz, das die Beschneidung von
Jungen legalisiert, wird damit der Boden entzogen", so Irmingard Schewe-Gerigk. "Der
Europaratsbeschluss macht einmal mehr deutlich, dass es nicht nur in Deutschland KritikerInnen der
Legalisierung der Jungenbeschneidung gibt. Das Argument der Bundeskanzlerin, Deutschland werde zu
einer Komikernation, wenn es den Kinderschutz in den Mittelpunkt seiner Gesetze stelle, wurde damit ad
absurdum geführt."
Victor Schiering ergänzt: "Die jüngsten Entwicklungen zeigen deutlich: Der Gesetzgeber hat Deutschland
mit dem Gesetz zur Legalisierung nicht-therapeutischer Vorhautamputationen an Jungen aus jeglichem Grund
europaweit menschenrechtspolitisch in eine Sackgasse manövriert. Neue Erkenntnisse zeigen, dass nicht
einmal medizinische Mindeststandards inklusive angemessener Betäubung grundsätzlich sichergestellt
sind. Dabei ist es Aufgabe des Staates, gerade die Interessen von wehrlosen Kindern zu schützen, die ungefragt
Genitalverstümmelungen ausgesetzt werden – und ihr Leben lang mit den Folgen leben müssen".
TERRE DES FEMMES und MOGiS fordern die Mitglieder des Deutschen Bundestags auf, die im Europarat
beschlossenen Forderungen unverzüglich umzusetzen, wonach Mädchen und Jungen ein Recht auf
körperliche und sexuelle Selbstbestimmung haben.